Eine orthomolekular therapeutische Behandlungsweise von Fibromyalgie

Jan Blaauw
Heilpraktiker, Orthomolekulartherapeut (mit Beiträgen von R. Nieuwenhuis RA, Geschäftsführer ‘Stichting Orthomoleculaire Educatie’)Keywords: Fibromyalgie, Muskel- und Gelenkschmerzen, Tenderpoints, Schlafstörungen, Wachstumshormon, Mikrotraumata, Ethiologie, PVS, ATP, Vitamine B1, l-Carnitin, Aminosaüren und Hypophyse.

Das wissenschaftliche Interesse an Fibromyalgie (auch das Fibromyalgiesyndrom genannt) ist verhältnismäßig gering, was sich namentlich aus der Tatsache ergibt, daß dieses Krankheitsbild (noch) keine evidenten Diagnosemittel kennt. Oft wird diese Krankheit denn auch als ‘psychogenes Rheuma’ abgetan. Damit wird wieder der Ausspruch von William Osler unterstrichen: “The greater the ignorance, the greater the dogmatism”.

Einleitung
Im Hinblick auf die primären Muskelbeschwerden wird Fibromyalgie heutzutage zum Rheuma (der Weichteile) gerechnet. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß die Ethiologie viele Gesichter kennt, wodurch sich die Frage erhebt, ob dieses Krankheitsbild zu den rheumatischen Erkrankungen gerechnet werden darf (eine Herzbeutelinfektion, die aktives Rheuma verursacht, wird in erster Linie auch nicht von einem Rheumatologen, sondern von einem Kardiologen behandelt).

Symptome von Fibromyalgie
Das erste Hauptmerkmal umfaßt Muskel- und Gelenkbeschwerden mit charak-teristischen tenderpoints: schmerzhafte Druckpunkte (insgesamt 18, von denen mindestens 11 reagieren sollen), die mit einem Druck von etwa 4 kg in einigen spezifischen Muskelgruppen lokalisiert werden (Smythe).

Es betrifft die nachfolgenden Punkte (größenteils bilateral):

  • ventrale Seite der intraversalen Räume von C5 – C7;
  • die Mitte des oberen Randes des Trapezmuskels (M. Trapecius);
  • Punkt, noch gerade lateral der kostachondralen Insertion der zweiten Rippe;
  • die Befestigungsstelle des Obergrätenmuskels (M. Supraspinatus), gerade über dem
  • Schultergrat;
  • Punkt, 2 cm vom Epicondylus lateralis entfernt;
  • interspinale Ligamente von L4-L5;
  • Proximalrand der mittleren Gesäßmuskel (M. Gluteus Medius);
  • Punkt, der sich gerade hinter dem Trochanter major der Hüfte befindet;
  • mediale Insertionen der kollateralen Knieligamente.

Der auf diese Stellen ausgeübte Druck muß als schmerzhaft erfahren werden, die Bezeichnung ‘empfindlich’ ist unzureichend. Außerdem sollen diese Beschwerden mindestens seit drei Monaten anwesend sein. Das zweite Hauptmerkmal besteht aus Schlafstörungen, hauptsächlich durch eine Anomalie des non-REM Schlafs verursacht.
Daneben gibt es unterschiedliche und oft auftretende Sekundarbeschwerden wie: Spannungskopfschmerzen;

  • Migränekopfschmerzen;
  • ein irritierter Darm;
  • das Raynaudphanomen;
  • prämenstruelle Beschwerden;
  • Kieferschmerzen;
  • eine irritierte Blase;
  • sich dumpf anfuhlende Stellen;
  • ausgesprochene Ermudung;
  • Ängste;
  • Depressivität;
  • Konzentrationsprobleme.

(Sekundär) fibromyalgie und Prävalenz
Manchmal kann Fibromyalgie als Sekundärfibromyalgie bezeichnet werden, und zwar wenn in erster Linie von einer andersartigen diagnostizierten Krankheit, wie rheumatische Arthritis oder Hypothyreose die Rede ist. Weil eine genaue anatomische Grundlage fehlt, ist manchmal von einer deutlichen Überschneidung mit anderen Erkrankungen die Rede. Daher haben verschiedene Erkrankungen die Nachsilbe “Syndrom”, die als Behälter fur die Vieizahl von Symptomen bei bestimmten Erkrankungen funktioniert. Fibromyalgie scheint in den Niederlanden nicht selten vorzukommen, was auch aus den Reaktionen einer Anzahl Rheumatologen hervorgeht. Durch die begrenzte Zusammenarbeit von Rheumatologen in den Niederlanden, namentlich was ihre Teilnahme an der “Standaard Diagnose Registratie” (Standarddiagnoseregistrierung) des niederländischen Instituts fur angewandte naturwissenschaftliche Forschung TNO betrifft, kann nicht oder kaum angegeben werden, wie häufig Fibromyalgie auftritt.

Die Wachstumshormonabgabe durch die Hypophyse wird indirekt durch die Leber induziert mittels Sekretion der Polypeptide Somatomedine-C. Bei einer Messung der SomatomedineC- Menge bei Fibromyalgiepatienten stellte sich ein signifikant niedriger Wert heraus als bei einer dem Alter nach vergleichbaren Kontrollgruppe.

Eine mögliche Beziehung zwischen Schlafstörungen und Muskelschmerzen
Es darf als bekannt angenommen werden, daß Schlaf wichtig ist für die Muskelhomöostase. Aus einer Umfrage des niederländischen Verbraucherverbands (“Consumentenbond”) und aus einer Forschung unter Hausarzten hat sich jedoch herausgestellt, daß ein Drittel der Niederländer Schlafstörungen hat, und daß mehr Frauen als Männer an dieser Krankheit leiden. Exogene Schlafstörer sind unter anderem: Kaffee, Tee, Cola, Schokolade, Nikotin, Alkohol, Drogen, bestimmte Antidepressiva, manche Migränemedikation, bestimmte Abmagerungsmittel, manche Schmerzmittel (u.a. Finimal und Paracof), bestimmte Hormonpräparate und Ephedrinpräparate.

Es hat sich gezeigt, daß bei Fibromyalgie namentlich die Phase-4-Schlaf-Anomalie auftritt, wodurch die Sekretion von Wachstumshormon (HGH; Human Growth Hormone) gestört wird. Achtzig Prozent der gesamten täglichen Wachstumshormonproduktion wird in dieser Phase des Schlafs ausgeschieden [Verweis 1]. Wachstumshormon wird in den Alphazellen des Hypophysevorderlappens gebildet, und wird unter Einfluß des Somatropine Releasing Factor und unter Einfluß von Somatostatine reguliert.

Die Bedeutung von Wachstumshormon
Wachstumshormone haben einige bedeutende physiologische Funktionen:

  • unentbehrlich für ein normales Wachstum (durch Einfluß auf die Thymusfunktion);
  • als anabole Peptide wirksam;
  • stimuliert die Proteinsynthese;
  • stimuliert die Lipolyse;
  • trägt zu einer korrekten Regulierung des Blutzuckers bei;
  • an der Synthese von RNA und DNA beteiligt;
  • befordert ein positives Stickstoffgleichgewicht;
  • befordert den Transport von Aminosauren in das Gewebe; befordert den Einbau von Aminosäuren in das Gewebe;
  • befordert die Genesung von atrophischen Muskeln;
  • erhoht die Belastbarkeit von Muskeln.

Nicht weniger als 10% des Trockengewichts der Hypophyse besteht aus Wachstumshormon, wodurch Nahrungsergänzung durch das entsprechende Organkonzentrat sinnvoll erscheint. Das Wachstum und die Integrität der Thymusdrüse sind ein empfindliches Maß für die Aktivität der Wachstumshormone. Es scheint übrigens, daß Kortikosteroiden die Wirkung von Wachstumshormonen in erheblichem Malle hemmen [Verweis 2].

Die Abgabe von Wachstumshormon durch die Hypophyse wird indirekt durch die Leber induziert mittels Sekretion der Polypeptide Somatomedine-C. Bei Erwachsenen hat sich herausgestellt, dal3 die Wachstumshormon-Somatomedine-C-Achse für die Muskelhomöostase von großer Bedeutung ist. Andere Bedingungen, die die Abgabe von Wachstumshormon stimulieren, sind unter anderem:

  • Hypoglykämie;
  • langeres Fasten;
  • der Konsum von Proteinen in großen Mengen;
  • erhohte Spiegel zirkulierender Aminosäuren;
  • chirurgische Eingriffe;
  • akute Streßeinflusse;
  • (exzessive) Bewegung, namentlich als Sport.

Bei Messung der Somatomedine-C-Menge bei Fibromyalgiepatienten stellte sich ein signifikant niedriger Wert heraus als bei einer dem Alter nach vergleichbaren Kontrollgruppe. Während Wachstumshormon eine Halbwertszeit von 30 Minuten hat, beträgt diese für Somatomedine-C 20 Stunden, und der Serumwert des letzteren Stoffes wird denn auch als repräsentativ fur die gesamte Sekretion von Wachstumshormon betrachtet. Namentlich eine geringere regelmäßige Bewegung durch Müdigkeit und Muskelschmerz bei Fibromyalgiepatienten ist ein Faktor, der weiter zum niedrigen Somatedine-C-Niveau beiträgt.

Mikrotraumata
Die meisten Fibromyalgiepatienten lokalisieren ihre Schmerzen in den Muskeln, wobei sie feststellen, daß durch (mäßige) Anstrengung die Beschwerden erheblich verschlimmern können. Es gibt viele Beweise, daß Postanstrengungsschmerzen mit Mikrotraumata zusammenhängen [Verweis 3,4], und es besteht denn auch eine Hypothese, daß der Muskelschmerz bei Fibromyalgie auf dieselbe Weise entstehen könnte. Mit diesem Paradigma wird gleichfalls prognostiziert, daß die Möglichkeit erheblich zunimmt, daß bei Menschen, die anfällig sind für Mikrotraumata, durch Anstrengung Fibromyalgie entsteht. Und daß Fibromyalgiepatienten vielleicht besonders anfällig sind für Muskelmikrotraumata bei übrigens geringer Anstrengung, oder daß das Erhölungsvermogen der Muskeln häufig unzulänglich ist. Auch wurde behauptet, daß die bei manchen Fibromyalgiepatienten auftretende kontinuierliche Unterbrechung der Sekretion von Wachstumshormon auf eine Prädisposition für Muskelmikrotraumata und/oder auf eine negative Beeinflussung des normalen Erhölungsvermogens der Muskel hinweist. Die Ursache sei eine verringerte anabole Stimulierung, entstanden durch einen chronisch niedrigen Wert von Somatomedine-C. Diese Hypothese stimmt mit dem Befund von Jacobsen u.a. überein [Verweis 5]. Sie entdeckten niedrigere Serumwerte des Prokollagen Typus lll, und stellten gleichfalls eine Abhangigkeit von diesem Prokollagen für eine optimale HGH-Produktion fest [Verweis 6]. Die niedrigeren Werte traten vor allem bei Fibromyalgiepatienten auf, die unverkennbare Symptome hatten, wie empfindliche Stellen an den Muskeln, verringerte Schlafqualitat und eine geringere dynamische Muskelkraft. Neueste Angaben über das Entstehen von Fibromyalgie, durch Entfernung der Hypophyse erhalten, legen gleichfalls die Vermutung eines soichen Mechanismus nahe. Das ist vermutlich auch der Grund, daß viele der Fibromyalgiepatienten, die Jan Blaauw behandelt hat, sehr gut auf zusätzliches Hypophysekonzentrat reagierten.

Eine deutliche Ethiologie fehlt
Gerade weil eine deutliche Ethiologie fehlt, kann dieses Krankheitsbild leicht verwechselt werden mit Erkrankungen wie

  • CFS (Chronic Fatigue Syndrome);
  • mitochondriale Myopathie,;
  • PVS und
  • Dysthymie.

1A: die Frequenz der am häufigsten auftretenden Fibromyalgiesymptome bei PVS-Patienten, im Vergleich zu Fibromyalgie;

1 B: der Frequenzprozentsatz von PVS-Symptomen bei Fibromyalgiepatienten;

1C: das relative Auftreten von ausgewähiten PVS-Symptomen, verglichen mit denen der Fibromyalgie [Verweis 10].

Symptom

PVS

(n= 200)

FM

(n=350)

Muskelschmerz 85 100
Morgensteifheit 63 95
Müdigkeit 97 90
Schlaflosigkeit 93 95
Spastischer Darm 63 80
Chronische Kopfschmerzen 83 90
Parästhesie (verandertes Gefühl) 70 85

TABELLE 1A: Frequenzprozentsatz der am häufigsten auftretenden Fibromyalgie (FM)-Symptome bei Patienten mit PVS (Postviralsyndrom), im Vergleich zu Fibromyalgie [Verweis 10].

Patienten

Symptom

(n=50)

Fieber 28
Halsschmerzen 54
Geschwollener Lymphknoten 32
(Muskel)schmerzen 100
Müdigkeit (starker als vor der Krankheit) 96
Erschöpfung (ständig im Bett) 24
Kopfschmerzen 82
Arthralgie (Gelenkschmerzen) 90
Konzentrationsprobleme 72

TABELLE 1B: Frequenzprozentsatz von PVS-Symptomen bei Fibromyalgiepatienten [Verweis 10].

Symptom

PVS

FM

Muskelschmerz

++

+++
Müdigkeit +++ ++
Schmerzhafte Druckpunkte ++ +++
Schlaflosigkeit +++ +++
Chronische Kopfschmerzen ++ ++
Darmirritation (spastisches Kolon) ++ ++
Kognitive Störungen ++ (+) +(+)
Viruserkrankungen, die der Krankheit vorangingen ++(+) +(+)
Immunstörungen +++ +
Neurohormonale Störungen* +++ +++
+ = ungewöhnlich, +(+) = ungewöhnlich bis üblich, ++ = üblich, ++(+) = üblich bis haufig, +++ = häufig.* Die vorausgesetzten neuhormonalen Abweichungen bei sowohl PVS als Fibromyalgie sollen noch durch nähere Untersuchung bestätigt werden.

TABELLE 1C: Das relative Auftreten von ausgewählten PVS-Symptomen, mit denen des Fibromyalgiesyndroms verglichen [Verweis 10].

Diese Tabellen führen zu der Annahme, daß bei einigen Patienten Fibromyalgie festgestellt wird, während eigentlich von einem Postviralsyndrom (PVS) die Rede ist. Dies wird namentlich dadurch verursacht, daß PVS in der Regularmedizin verhältnismaßig unbekannt ist (und, in Zusammenhang damit, das Krankheitsbild bis jetzt nicht oder kaum anerkannt wurde).

Die Bedeutung eines optimalen Energiebaus in der Muskelzelle
Bengtsson u.a. [Verweis 10] haben die (über)empfindlichen Punkte im Trapezmuskel bei Fibromyalgiepatienten untersucht, im Vergleich zu einer schmerzfreien Kontrollgruppe. Bei der Fibromyalgiegruppe entdeckten sie eine Reduzierung von 17% fur ATP und eine Reduzierung von 21% fur Kreatinphosphat. Interessant dabei war auch, daß sie an diesen Stellen eine zugenommene Menge ‘ragged red fibers’ fanden. ‘Ragged red fibers’ sind ein Indiz fur metabolische Hyperaktivität, durch eine Zunahme der Anzahl Mitochondrien verursacht. Dieser Befund kann mit dem einer fruheren Untersuchung verglichen werden, wobei die Rede war von einem durch Überanstrengung entstandenen Schmerzsyndrom, auch arbeitbezogene Myalgie genannt.

Im Energiezyklus wird die chemische Energie aus der Nahrung für die Produktion von ATP angewandt. Bei der Rückumsetzung in der Muskeizelle von ATP in ADP und Phosphat wird Energie frei, die für Bewegung unentbehrlich ist. Müdigkeit, die zu Erschöpfung führt, ist denn auch oft ein Symptom, das auftritt, wenn die Nachfrage nach ATP größer ist als das Angebot. Dieses Schema ist bei Fibromyalgie erkennbar, aber sicherlich auch bei PVS und mitochondrialer Myopathie. Die ATP-Menge wird bei diesen Konditionen immer geringer, und die Prozesse, wofür Energie erforderlich ist, werden letztendlich immer weniger stattfinden. Obengenannte Basisansicht bildete die Grundlage für die Stoffwechselgeschwindigkeitstheorie, im Jahre 1928 von dr. R. Pearl aufgestellt. Aufgrund dieser Theorie besteht ein Zusammenhang zwischen der metabolischen Geschwindigkeit und der Lebensdauer. Umso höher die metabolische Geschwindigkeit, umso mehr Energie pro Zeiteinheit verbraucht wird, und umso kürzer die Lebensdauer der Mitochondrien und auf die Dauer der betreffenden Person. Durch diese Situation entsteht auch ein höherer Verbrauch von Sauerstoff, was automatisch zu einer Produktion und Aktivität von freien Radikalen fuhrt, die hoher als erforderlich ist [Verweis 9].

Es ist also klar, daß optimale ATP-Synthese von großer Bedeutung ist bei Fibromyalgie. Die zellulare Energieproduktionskapazitat ist auch von Nährstoffen wie Coenzym Q10, Carnitin, Inosin, Magnesium und Vitamin B6 (die letzten drei als unterstützende Faktoren fur die ATP-Synthese) abhängig. Fur Sportler ist dies bekannte und wichtige Information, aber auch fur Fibromyalgiepatienten sind diese Stoffe von Bedeutung. Folglich spricht dies stark dafür, dalß zusätzlich zumindest Coenzym Q10 und Magnesium verabreicht werden. L-Carnitin ist von wesentlicher Bedeutung fur die Verbrennung von langkettigen Fettsauren, und eine Nahrungsergänzung mit dieser Aminosäure trägt denn auch gleichfalls zum Energieertrag von Muskeizellen bei. Eine mit Coenzym Q10 kombinierte Ergänzung hat eine durch Synergie zusätzlich verstärkte Wirkung. Leider ist Carnitin bei Anwendung in wirksamen Dosen (2-4 Gramm pro Tag) sehr kostspielig.

Erythrozyten-Transketolase-Test
In einem Aufsatz von Eisinger [Verweis 10] werden über die Hypothese, daß Fibromyalgie aufgrund des Erythrozyten-Transketolase-Tests von anderen Ursachen von chronischen Schmerzen unterschieden werden kann, nähere Betrachtungen angestellt. Die Aufmerksamkeit wird auf die Tatsache gelenkt, daG einige Fibromyalgiepatienten günstig auf Injektionen mit Thiamin (Vitamin B1) reagieren. Eine niedrigere ErythrozytenTransketolase-Aktivität wurde bei 137 Versuchspersonen festgestellt, von denen 75 chronische, schmerzhafte Syndrome aufwiesen. Die Versuchspersonen wurden in fünf Gruppen verteilt. Eine Gruppe umfaßte Patienten mit generalisierten Schmerzen, die von Faktoren wie das Wetter, korperliche Aktivität und von anderen Streßmomenten beeinflulßt wurden. Eine zweite Gruppe bestand aus Patienten mit chronischen Gelenkschmerzen, eine dritte Gruppe aus Alkoholikern, und eine vierte Gruppe aus Patienten, denen Vitamin B-Komplex, darunter 750 mg Thiamin Hydrochlorid pro Tag (in verschiedene Dosen verteilt), verabreicht wurde als Fortsetzung einer orthopädisch-chirurgischen Behandlung. Die fünfte Gruppe war aus gesunden Versuchspersonen zusammengesetzt.

Die Erythrozyten-Transketolase-Aktivität, die ein Gradmesser für den Vitamin B1-Status ist, war in der Alkoholgruppe signifikant niedriger, und höher bei den Versuchspersonen, die Vitamin-B-Komplex einnahmen, aber ansonsten konnte in der Erythrozyten-Transketolase-Aktivität bei den verschiedenen Gruppen keine Abweichung von der Kontrollgruppe aufgewiesen werden. Im Vergleich zur Kontrollgruppe war der sogenannte Transketolaseaktivitätskoeffizient (ein Maß fur die Anstrengung eines Biosystems um die Synthese des Vitamins B1 zu verwirklichen) bei den Fibromyalgiepatienten und den Alkoholikern signifikant höher, niedriger bei den Patienten, denen Vitamin-B-Komplex verabreicht wurde, wies aber bei der Gruppe mit chronischen Gelenkschmerzen keine Abweichung auf. Die Verfasser zogen die Schlußfolgerung, daS bei Alkoholismus oft ein Thiaminmangel auftrete infolge einer schlechten Ernährungsweise und teilweise auch durch eine höhere Na-K-ATP-ase Aktivität im Darm (dieses Enzym ist für Aufnahmeprozesse im Darm von Bedeutung), sowie durch niedrigere ATP-Niveaus in der Leber und in Erythrozyten.

Bei Fibromyalgiepatienten ist also von einer unverkennbaren Störung des Thiaminstatus die Rede. Japanische Untersucher haben Thiamintetrahydrofurfuryldisulfid therapeutische Bedeutung beigemessen bei der Behandlung von sogenannter Neuralgie. Sie entdeckten, daß Fibromyalgiepatienten besser auf Thiaminpyrophosphat reagierten als auf Thiaminhydrochlorid, was darauf hinweist, daß eher von einer metabolen Anomalie die Rede ist als von einem Nahrungsmangel. Auch wird darauf Aufmerksam gemacht, daß thiaminabhängige Enzyme auch eine ausreichende Menge Magnesium brauchen.

Muskelschmerz wird mit Magnesium- und Seleniummängel assoziiert. Der Magnesiumstatus (in Serum, Leukozyten und Erythrozyten) und die Serumniveaus von Selen, Zink und Vitamin A, B1, B2 und E wurden bei 22 Fibromyalgiepatienten und 23 gesunden Kontrollpersonen untersucht. Magnesium im Leukozyt ist signifikant hoher und Magnesium im Erythrozyt ist etwas niedriger bei Fibromyalgiepatienten. Diese Abweichungen von einem als normal zu betrachtenden Magnesiumstatus wurden mit der vorhin erwähnten Störung des Thiaminmetabolismus assoziiert. Der Antioxydantstatus, unter anderem am Plasma-Malondialdehydwert und am SerumSelenstatus gemessen, weist bei Fibromyalgiepatienten keine Abweichungen auf [Verweis 15].

Im nachfolgenden werden wir näher auf die unterschiedlichen Behandlungsmethoden für Fibromyalgie eingehen und wird gleichfalls eine Richtlinie fur einen orthomolekularen Behandlungsplan gegeben.

Medikamentose Behandlung
In den Vereinigten Staaten werden vielfach nicht-steroide, entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprufen (Advil, Brufen, Femapirin, Ibosure, Ibumetin und Nerofen) angewandt. Auch werden Medikamente verschrieben, die eine entkrampfende oder erschlaffende Wirkung auf die Muskeln haben. Eine andere Möglichkeit sind die trizyklischen Antidepressiva in niedrigen Dosierungen, wie Amitryptilin (Sarotex, Tryptizol), für eine schmerzmodulierende Behandlung und als Schlafmittel. Die positiven Erfahrungen solcher Behandlungen, die in Forschungsarbeiten erwähnt werden, kommen in der Praxis selten vor. Eine Nebenwirkung regulärer Antidepressiva ist oft ein trockener Mund, was durch die anticholinergischen Nebenwirkungen dieser Mittel verursacht wird.

Dr. Rieke Alten, eine deutsche Rheumatologin, legte einen möglichen Zusammenhang zwischen bei Fibromyalgiepatienten festgestellten Antistoffen und den Symptomen von Fibromyalgie. Auch entdeckte sie bei diesen Patienten Antistoffe gegen Serotonin.

Nicht nur für Sportler, sondern auch fur Fibromyalgiepatienten sind Nahrstoffe wie Coenzym Q10, Carnitin, Inosin, Magnesium und Vitamin B6 wegen ihres Einflusses auf die zelluläre Energieproduktionskapazität von Bedeutung.

Stimulierung der Abgabe von Wachstumshormonen
L-Ornithin
Dies ist eine nicht essentielle Aminosäure, die im Korper aus l-Arginin gebildet werden kann. Ornithin wird jedoch, im Gegensatz zu Arginin, nicht in menschliches Eiweiß eingebaut, was zur Vermutung berechtigt, daß die metabolen Funktionen von Ornithin wichtig sind. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß l-Ornithin die Abgabe von Wachstumshormon aus der Hypophyse am stärksten stimuliert. Vorhin wurde bereits dargelegt, weshalb Wachstumshormon für den Fibromyalgiepatienten so wichtig ist.

L-Tryptophan
Die Anwesenheit dieser nicht schwefelhaltigen, aber gegen Oxydation empfindlichen Aminosäure, ist eine Voraussetzung für das Entstehen von Serotonin, dem wichtigsten Antistreßihormon. Weiter verringert es das Schmerzerlebnis und funktioniert dabei synergetisch mit Enkephalinen und Endorphinen. Auch ist Tryptophan ein wichtiger Stoff für die Biosynthese von Vitamin B3 und Melatonin. Höchstwahrscheinlich aufgrund der letztgenannten Funktion regt Tryptophan den Schlaf an, wodurch die genannte, für Fibromyalgiepatienten wichtige Synthese von Wachstumshormon zunehmen kann. Dr. Rieke Alten, eine deutsche Rheumatologin, legte einen moglichen Zusammenhang zwischen bei Fibromyalgiepatienten festgestellten Antistoffen und den Symptomen von Fibromyalgie. Auch entdeckte sie bei diesen Patienten Antistoffe gegen Serotonin. Obwohl bei Fibromyalgie die Serotoninspiegel oft normal sind, kann die Wirkung von Serotonin jedoch durch Antistoffe blockiert werden, so daß bei einer normalen Konzentration im Blut trotzdem Beschwerden entstehen, die auf Mängel hinweisen.

In einer Untersuchung von Muhamad B. Yunus u.a. [Verweis 8] wurde die Hypothese geprüft, daß Plasma-Tryptophan oder die Transportrate von Plasma-Tryptophan oder beide eine Reflexion des Serotoninstatus im Gehirn seien, und daß dieser bei Fibromyalgiepatienten niedriger sei als bei gesunden Personen. Entdeckt wurde, daß die Transportrate von Tryptophan in der Gruppe Fibromyalgiepatienten in geringem aber signifikantem Maße niedriger war als in der Kontrollgruppe. Auch der Plasma-Tryptophanwert war bei der Fibromyalgiegruppe niedriger als bei der gesunden Kontrollgruppe. Zusatzlich wurde entdeckt, daß auch die Histidin- und Serinwerte bei der Fibromyalgiegruppe signifikant niedriger waren als bei der Kontroligruppe.

Andere orthomolekulare Mittel
Bei Fibromyalgie kann eine orthomolekulare Dosierung des Vitamins C zu einer nicht unbedeutenden Verbesserung führen wegen der Auswirkung, die dieser Stoff auf Biosysteme und -subsysteme hat, die zu Fibromyalgie in Beziehung stehen konnen: Immunsystem (T-Zelle und B-Zelle), Lebermetabolismus und Stoffwechsel der Aminosäuren. Damit alle relevanten Geweben erreicht werden, ist eine Kombination von wasserlöslichem (Magnesium Ascorbat) und fettlöslichem Vitamin C (Ascorbyl Palmitat) empfehlenswert. Als Unterstützung der vorhin genannten anwendbaren Stoffe kommennoch verschiedene andere Mittel in Betracht:

Oktakosanol: führt zu einer höheren Sauerstoffnutzung der Zelle und verbessert dadurch den Energieertrag;
Nebennierenkonzentrat und Pantothensäure verbessern die Abgabe von entzündungshemmenden Hormonen durch die Nebennierenrinde, was bei sekundärer Fibromyalgie nutzlich ist;
Vitamin E und Fischölkonzentrat haben eine entzündungshemmende Wirkung, Vitamin B12 wirkt oft schmerzstillend.

Richtlinie Rezeptur (primäre) Fibromyalgie

Primare Stoffe
Multivitamin-/Mineralienpräparat (das pro Tag mindesten 200 µg Seleno-Methionin und 20 mg Vitamin B6 enthalt) 3 x täglich 1 Tablette
Vitamin E 400 IE 2 x täglich 1 Kapsel
Magnesium Ascorbat 3 x täglich 1 g
Ascorbyl Palmitat 2 x täglich 1 g in Quark/Biogarde
Magnesium AAC 200 mg 3 x täglich 1 Tablette
L-Ornithin 500 mg 3 x täglich 1 Kapsel auf nuchternen Magen
Coenzym Q10 (30 mg in emulgierter Form) 1 x täglich 1 Kapsel
Hypophysekonzentrat 30 mg 3 x täglich 1 Kapsel

Unterstützend
Kräftiges Antioxydantkomplex (mit Gluthation und Glutathionsbasis) 1 x täglich 1 Kapsel
L-Tryptophan 400 mg 2 x täglich 1-2 Kapseln auf nuchternen Magen
L-Carnitin 250 mg 3 x täglich 3 Tabletten (aufgrund der hohen Kosten nur in ernsten Situationen)
Oktakosanol 5.000 µg 1 x täglich 1 Kautablette
Vitamin B12 1.000 ,ug 1 x täglich 1 Tablette
Fischolkonzentrat (EPA /DHA min. 550 mg) 3 x taglich 1 Kapsel

Als Ergänzung bzw. Ersatz bei sekundärer Fibromyalgie
Nebennierenkonzentrat 300 mg 2 x täglich 1 Kapsel
Pantothensäure 250 mg 3 x täglich 1 Tablette

Verweise

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Drs. H.G.P. Meursing-Kraak, vereidigte Übersetzerin der deutschen Sprache, hat den Aufsatz ins Deutsche übersetzt.

Dieser Artikel wurde in der niederländischen Zeitschrift
‘De orthomoleculaire Koerier’, 11. Jahrgang Nr. 61, 1996, Seite 19-25, publiziert.